PETITE MAISON (divorced from function) by Antonia Nannt – curation of solo show at GROTTO

PETITE MAISON (divorced from function) by Antonia Nannt – curation of solo show at GROTTO

April 25 – June 6 2024

18 May Kaffee & Kuchen Lesung mit Olga Hohmann, Kuchen von Anaïs Lian Nyffeler

A Souvenir Edition of handmade and enamelled flowers by Antonia Nannt is released together with the exhibition and in collaboration with silverware brand Sluzzellin
AVAILABLE HERE

→ Press
Monopol
O FLUXO
Deutschlandfunk Kultur (ab 43:55min)
AD Magazin
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KUBAPARIS
Contemporary Art Library
INDEX Berlin

– DE –

Text von Esther Ahr

„At last, the Marquis challenged Mélite to come to his little house, a petite maison. She answered that she would come, and that she would not fear him there, nor anywhere else. So they called it a wager and there she went, knowing not what a petite maison was, only the name.“ *

Im selben Moment, in dem Mérite das Foyer des Petite Maison - ein Lustschloss? - des Marquis de Trémicour betritt, gerät sie in die Falle einer architektonischen Verführung. Geduldig präsentiert der Marquis dem Objekt seiner Begierde sein Anwesen und führt sie durch jeden einzelnen Raum des Hauses. Die Besucherin gerät dabei immer mehr aus der Fassung über das detailliert beschriebene Interieur des Petite Maison. Als sie jedoch bemerkt, dass sie sich vor Begeisterung für die exquisiten Möbelstücke und Kunstwerke zunehmend der Verführung des Marquis hinzugeben scheint, rettet sie sich in den Garten des Anwesens in der Hoffnung, den architektonischen Versuchungen zu widerstehen. Kaum betreten die beiden wieder das Innere des Hauses kapituliert Mérite bald und Marquis de Trémicour gewinnt seine Wette.

“I was very curious: it was no longer Madame T*** — that I desired, but her cabinet.” **

“La Petite Maison” von Jean-François de Bastide ist als Hybrid zweier literarischer Genres des 18. Jahrhunderts (erotic libertine novella und architectural treatise) eine architektonisch-erotische Abhandlung, die zur gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit Architektur durch romantische Begegnungen diente. Mit der Imagination des Interieurs des Petite Maison als Pleasure House wird das Innere dabei zum Machtraum und die einzelnen Möbelstücke, Dekorationen und Kunstwerke Träger einer bourgeoisen gesellschaftlichen Idee. Der gezielte Einsatz der Ikonografie des Interieurs ermächtigt den adeligen Junggesellen zur Aneignung der Sphäre des Weiblichen und das Petite Maison wird mitsamt der darin verführten Eroberung zur Trophäe seines Besitzers. Mitte des 20. Jahrhunderts erschuf Playboy-Gründer Hugh Hefner das multimediale moderne Äquivalent zum Petite Maison - die Playboy Mansion. In seiner erotischen Utopie des Playboy-Universums gelang Hefner die Konstruktion eines spezifisch männlichen häuslichen Inneren. Durch die ikonografische Überschreibung von Möbelstücken und Räumen, die klassischerweise mit dem Vorstadthaus assoziiert wurden, verwandelte sich das Häusliche zur Spielwiese des großstädtischen Junggesellen.

Auch Nannt bedient sich in ihren Skulpturen symbolgeladener, historischer Sujets, die oftmals architektonischen Ursprungs sind, und nutzt das scheinbar Dekorative als kontextualisiertes Motiv. Die Werkserie Table Skirts vereint als Symbolic Furniture innerhalb ihrer Form und Materialität beides: den dekorativen (Rüschen)Rock mit dem funktionalen (Stahl)Tisch. Die metallischen und teilweise von Schweißnähten gesäumten Objekte Nannts deuten ebenfalls auf ein intersubjektives Interieur, das von Nostalgie, Machtverhältnissen und Begierde geprägten Motiven symbolisiert wird. In ihrem PETITE MAISON verweisen somit Äußerlichkeiten auf  Innerlichkeiten und umgekehrt, manchmal folgt die Form dabei ihrer reinen Funktion, zeitweise gehen sie lieber getrennte Wege (divorced from function).

*La Petite Maison (The Little House), Jean-Francois de Bastide, 1879
**Point de lendemain (No Tomorrow), Dominique Vivant Denon, 1777

mit freundlicher Unterstützung der Kemmler Foundation (Kemmler Kemmler GmbH)

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